Inoffizielle Leseproben von Szenen, die zwar im Die Wächter der Tore Universum spielen, aber es nicht in die fertigen Bücher geschafft haben. Bitte beachten, dass diese Szenen nicht lektoriert wurden, ich stelle sie hier lediglich als kostenlosen, zusätzlichen Inhalt zu den offiziell veröffentlichten Büchern zur Verfügung.
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Silkaris Hoffnung | Alternativer Prolog | Die Königin und Lord Saban
Silkari war ihre letzte Zuflucht gewesen, als die anderen Welten im Krieg zerstört worden waren. Nach inzwischen sieben Jahren war er zu ihrer neuen Heimat geworden, die es zu verteidigen galt. Noch wusste jedoch keiner von ihnen, dass es Grund zur Verteidigung gab. Nachdenklich beobachtete die Königin das Treiben in der Stadt vom Fenster des Palastes aus. Es war ihr immer bewusst gewesen, dass dieser Tag kommen musste, auch wenn sie gebetet hatte, es würde etwas mehr Zeit bleiben. Die alten Wunden waren noch nicht verheilt, die Narben würden erneut aufgerissen werden. »Eure Majestät?«
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Lächelnd wandte sie sich zu dem Besucher um. »Lord Saban.« »Ihr habt mich rufen lassen?« »Allerdings, es gibt Wichtiges zu besprechen.« Saban, der bis zu diesem Moment in einer Verbeugung verharrt war, richtete sich auf und sah sie ernst an. »Ihr klingt ausgesprochen besorgt. Was ist passiert?« Bevor die Königin antwortete, betrachtete sie den Mann genauer. Saban gehörte zu den stärksten und loyalsten Kriegern, denen sie je begegnet war, und sie hatte seinen Vorschlag, eine Palastwache zu werden, nur zu gerne angenommen, ihn sogar sofort zum Oberkommandanten ernannt. Er war von Sadark zu ihnen gekommen, der Welt des Schlangenvolkes, und mit beinahe fünfzig Jahren noch in der Blüte seiner Jugend. Seine Herkunft war äußerlich sehr leicht erkennbar, denn wie bei allen Sadarkianern wuchs ein Schlangenschwanz aus seinem unteren Rücken, in Sabans Fall in sattem dunkelgrün, mit hellgrünen Mustern auf den schimmernden Schuppen. In diesem Moment war der Oberkommandant entspannt und hatten den Schlangenschwanz um seine eigene Körpermitte gelegt wie einen Gürtel. Ein Zeichen für seine hohe Geburt, denn dieses Verhalten wurde ausschließlich den adeligen Kindern Sadarks antrainiert. Die Königin erinnerte sich noch sehr gut an ihre erste Begegnung mit Saban. Er war unter den wenigen Sadarkianern gewesen, die rechtzeitig entkommen waren, und hatte seine schwer verwundete, schwangere Frau Kayzope im Arm gehalten, als er um Hilfe flehend auf die Knie gefallen war. Sofort waren mehrere heilkundige Frauen herangeeilt, um der Verwundeten zu helfen, und es hatte noch drei Tage gedauert, bis endlich verkündet werden konnte, dass Kayzope nicht länger in Lebensgefahr schwebte. Jedoch war ihr Schlangenschwanz im Kampf abgetrennt worden und unrettbar verloren. Die schwere Depression, die dieser Erkenntnis folgte, hatte den Zustand der Sadarkianerin erneut verschlechtert. Saban hatte seine Frau wochenlang gepflegt und umsorgt bis sie wieder vollständig bei Kräften war. Die beiden waren inzwischen ein beliebtes, gern gesehenes Paar und ihr Glück wurde durch gesunde Drillinge gekrönt. Die Königin wusste, dass Saban nicht nur ihr bester Krieger, sondern auch ein wundervoller Ehemann und Vater war. Deswegen war es ihr nicht leichtgefallen, ausgerechnet ihn für die Vorbereitungen auszuwählen. Doch er war die beste Wahl. »Ich fürchte, es ist Zeit, Lord Saban«, sagte sie schweren Herzens. »Informiert den Adel, so diskret wie möglich. Die fähigsten Krieger aller Völker müssen sich um die Hauptstadt versammeln.« Saban erkannte die volle Bedeutung dieser Worte sofort. »Ihr glaubt, sie sind zurückgekehrt? Und auf dem Weg hierher?« Die Königin nickte. »Ich bin absolut sicher.« Der Krieger stieß ein enttäuschtes Stöhnen aus. »Wie viel Zeit bleibt uns noch? Soll ich mich sofort auf den Weg machen?« Sie ließ sich auf ihrem reich verzierten Thron nieder, bevor sie antwortete. Er war ein Geschenk gewesen. Sie selbst machte sich nichts aus Prunk und hatte sich in diesem auffälligen Stuhl noch nie wohl gefühlt. »Morgen ist früh genug. Unser Vorgehen muss wohlbedacht sein, ich möchte keine vorzeitige Panik auslösen.« Der silberne Thron war kalt und sie spürte ein Frösteln an den Unterarmen. »Gut.« Saban zögerte einen Moment. »Aller Völker?« »Wir werden jeden brauchen. Letztes Mal hatten sie einen Vorteil, weil sie die Welten einzeln überfallen haben. Sie kannten die Stärken und Schwächen der Bewohner. Aber wenn wir unsere Fähigkeiten vereinen, fehlt ihnen dieser Vorteil.« Saban nickte. »Ich werde morgen in aller Frühe aufbrechen. Ihr könnt Euch auf mich verlassen.« Er zögerte einen Moment, bevor er noch einmal betont nachhakte: »Wirklich alle?« Die Königin lächelte wissend. »Wir werden auch seine Kräfte brauchen, Saban.« Der Sadarkianer schnaubte verächtlich. »Er wird niemals an unserer Seite kämpfen! Er denkt nur an sich. Seit er hier ist, schottet er sich ab. Er hat Euch als Königin doch noch nicht einmal anerkannt!« »Auch Migoda ist jetzt Vater. Er wird seinen Sohn beschützen wollen.« Saban sah immer noch nicht überzeugt aus. Er verschränkte die Arme vor der Brust und wollte offenbar erneut dazu ansetzen, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Sie seufzte und unterbrach ihn. »Es wird Zeit, Euren Streit zu beenden, wenn auch nur für einen einzigen gemeinsamen Kampf! Sadark und Peero sind gleichermaßen zerstört, Euer Hass aufeinander hätte mit Euren Welten untergehen sollen.« »Wusstet Ihr, dass er sich weigert, den Titel des Rakja abzulegen?«, fragte Saban gereizt. Ja, das wusste sie, denn Saban selbst wies sie in regelmäßigen Abständen darauf hin. Rakja war der Titel für Könige von Peero. Für Saban war es gleichermaßen ein Schimpfwort, denn die Sadarkianer und Peeroianer hatten seit Generationen immer wieder Kriege gegeneinander geführt. »Es spielt keine Rolle«, sagte die Königin bestimmt. »Wir brauchen Migodas Kräfte in diesem Kampf. Wenn er für seine Gefolgsleute immer noch ein König ist, können wir das im Moment ohnehin nicht ändern. Es war zu erwarten, dass es einigen schwerer fallen wird, die alten Bräuche und Gewohnheiten abzulegen, als anderen. Solange sie sich trotzdem an unsere Gesetze halten, habe ich größere Sorgen.« »Wir brauchen auch seine Köter nicht!«, gab Saban forsch zurück. Die beeindruckendste Fähigkeit der Peeroianer bestand darin, sich in übergroße Hunde zu verwandeln, weswegen gewöhnliche Hunde und Wölfe sich ihnen irgendwann untergeordnet hatten. Migodas Gefolge bestand aus einem ständig wachsenden Rudel. »Wir brauchen jeden«, wiederholte die Königin noch einmal nachdrücklich. Sie verstand Sabans Misstrauen vollkommen. Doch diese Diskussion hatten sie schon einhundert Mal geführt. Sie würden auch heute nicht zu einer Einigung finden. Sabans Seufzen sagte ihr glücklicherweise, dass er das ebenfalls erkannt hatte. »Obwohl wir alle von so verschiedenen Orten kommen, gleichen wir uns doch sehr. Wir müssen lernen, dass wir keine unterschiedlichen Völker mehr sind, die nebeneinander existieren, sondern ein einziges Volk mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Stärken und Schwächen. Das ist unsere größte Stärke. Unser Vorteil.« »Ihr könntet das Tor der Zukunft befragen«, schlug Saban unsicher vor. »Die Tore haben uns letztes Mal geholfen, sie werden es wieder tun. Wir könnten sehen, woran wir scheitern würden und wir könnten … « Die Königin schnitt ihm energisch das Wort ab. »Die Tore sind keine Orakel, die dem Willen eines Einzelnen gehorchen. Sie besitzen einen eigenen Willen. Als unsere Existenz bedroht war, haben sie die Überlebenden zu uns gebracht, um uns allen eine zweite Chance zu geben. Mehr können wir nicht verlangen! Es liegt nun an uns, diese Chance weise zu nutzen. Unser Zuhause zu verteidigen.« Als Saban betroffen schwieg, fügte sie leise hinzu: »Allerdings werden die Tore sie direkt hierherführen.« Die drei Tore. Die Herrscher über die Zeit, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die mächtigen Drachen, von vielen Völkern als Götter verehrt. Sie konnten jeweils über ein magisches Artefakt gerufen werden, wenn die Wappet – der Überbegriff für alle Völker – auf ihre Hilfe angewiesen waren. Die Königin selbst war eine der Torträgerinnen, eine jene auserwählten Personen, die eines dieser Artefakte besaßen. Ihre Hand legte sich fast automatisch auf ihre Brust, wo sie die Wärme spüren konnte, wenn sie eine Verbindung zu ihm aufbaute. Das Artefakt befand sich in ihrem Körper. Was nur einen Weg zuließ, sie davon zu trennen. Ihre Schwestern waren im Besitz der anderen beiden und ihre Feinde wussten das ebenfalls. Sie würden sich einen Weg in das Schloss schlagen, um die Schwestern zu töten und die Tore zu bekommen. »Wir werden Euch beschützen«, sagte Saban entschlossen, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Die Königin antwortete nicht sofort. Ihr Blick wanderte zur Eingangstür, die sich leise öffnete. Wie aufs Stichwort traten zwei Frauen ein, gekleidet in strahlend weiße Gewänder, die an die schlichten Roben der Priesterinnen erinnerten. Eine trug ihr silbern schimmerndes Haar zu einem kunstvollen Zopf gesteckt, die andere hatte es sich auf wenige Millimeter Länge abrasiert. Priesterinnen waren sie beide nicht. Die jüngste Schwester war verheiratet und hatte einen Sohn, die mittlere war eine begabte Kriegerin. »Das wäre alles, Lord Saban. Ihr solltet jetzt nach Hause gehen«, sagte die Königin und erhob sich aus ihrem Thron.